Matthias Ecke zu Besuch beim Vorgänger

Stiftung empfängt Europaparlamentarier aus Dresden in der historischen Wohnung von Greta (und Herbert) Wehner

So sah es am Wohnzimmertisch in Bonn aus – Herbert Wehner und Greta Burmester 1973

Am 27. Mai 2024 kam – der Termin war lange schon geplant – Matthias-Ecke, SPD-Europaparlamentarier und -kandidat, zu Besuch zum ersten Europaabgeordneten aus Dresden, Herbert Wehner. Prof. Dr. Christoph Meyer, Vorsitzender der Stiftung, Historiker, Biograf von Herbert – und bald auch Greta – Wehner, empfing eine kleine Delegation in den historischen Räumlichkeiten. Mit von der Partie waren unter anderem Anne Schawohl, Magnus Hecht und Dorothee Marth, die zu den anstehenden Kommunal- und Landtagswahlen in Dresden und Sachsen kandidieren.

Dass Herbert Wehner (1906-1990) lange im Bundestag saß, insgesamt 33 1/3 Jahre, wissen heute noch viele Menschen. Dass der Sozialdemokrat aus Dresden-Striesen aber auch der erste sächsische Europaabgeordnete überhaupt war, ist nur Kennerinnen und Kennern bekannt. Denn von Beginn an, ab September 1952 (und bis 1958), war Wehner Mitglied der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, des sogenannten „Montanparlaments“. Dieses wurde allerdings noch nicht direkt gewählt, sondern bestand aus von den nationalen Parlamenten gewählten Abgeordneten, darunter auch sieben Sozialdemokraten, unter denen Herbert Wehner schon früh herausragte. In der Versammlung setzte Wehner sich für die Stärkung dieses Parlaments ein – und ab Mitte der 1950er Jahre auch schon für einen europäischen Binnenmarkt.

Daher kam auch die Idee zu dem Besuch des SPD-Europaparlamentariers Matthias Ecke, tatsächlich in diesem Amt ein später Nachfolger von Herbert Wehner. Hieran erinnerte Christoph Meyer, vor allem aber daran, wie der junge Wehner vor 100 Jahren schon gewalttätige politische Auseinandersetzungen zu bestehen hatte, in der Mitte der 1920er Jahre bei Aktionen von Rechtsextremen geprügelt wurde und wie er aus all seinen Erlebnissen ab 1945 die Konsequenz zog, fortan für eine gewaltfreie, die Feindverhältnisse überwindende politische Auseinandersetzung zu streiten. „Umso befremdlicher ist es“, so Christoph Meyer in Wehners Wohnzimmer mit deutlichem Seitenblick auf Matthias Ecke, „dass heute Gewalt gegen Demokratinnen und Demokraten in der Öffentlichkeit auf der Tagesordnung steht. Es sollte doch selbstverständlich sein, dass so etwas nicht geht, schon gar nicht in Dresden, in der Nähe des Ortes, an dem Herbert Wehners Geburtshaus stand!“

An die Begrüßung im Wohnzimmer schloss sich eine gut einstündige Führung durch die Räumlichkeiten der Stiftung an, die ja in der Original-Wohnung von Greta Wehner in Dresden Leubnitz-Neuostra zuhause ist. Darin findet sich ein Stück gesamtdeutsche Geschichte, Geschichte der Bonner (und Berliner) Republik, mitten in Dresden, wo es nicht viele vermuten – ein bisher weitgehend unentdeckter Erinnerungsort, auch ein lebendiger Ort der Demokratiegeschichte im demokratisch immer fragiler erscheinenden Osten.

So sah es auch Matthias Ecke, der sich sichtlich beeindruckt zeigte von den vielen Büchern und Erinnerungsstücken aus über 70 Jahren politischem Leben in West- und Ostdeutschland. Interessiert blätterte er in Biografien und historischen Werken. Der Abgeordnete konnte auch in die Original-Terminkalender der Wehners schauen, die ebenso im Archiv vor Ort aufbewahrt werden wie zahlreiche Reden, Schriften und Manuskripte Herbert Wehners. Zum Dresdner Nachlass gehört unter anderem das handschriftliche Originalmanuskript von Wehners berühmter Bundestagsrede vom 30. Juni 1960, dessen Schlusspassage, (Seite 51 des Manuskripts) Ecke mit besonderer Aufmerksamkeit studierte: „Innenpolitische Gegnerschaft belebt, aber ein Feindverhältnis tötet schließlich die Demokratie.“

Vor der Tür stand auch der Original-Wehner-Volvo, in dem Christoph Meyer – auf Gretas Platz, also am Steuer – den Abgeordneten – auf Herberts Platz, also auf dem Beifahrersitz – zum nächsten Termin in Dresden kutschierte – auf der Rückbank nahmen Anne und Pauline Schawohl Platz, Mutter und Tochter, beide aktiv in der Dresdner SPD und bei den Jusos.

Christoph Meyers Fazit zum Tag: „Das war ein guter Besuch, und er ist vielleicht ein Auftakt zu mehr Präsenz und Öffentlichkeit für unseren besonderen Demokratieort. Dankbar bin ich übrigens Anne Schawohl und Magnus Hecht, die auf ihre Weise ebenso dafür sorgen, nämlich mit einem eigenen Podcast „Gespräche bei Wehners“ – unbedingt reinhörenswert!

Zum Artikel mit Fotos auf tag 24: hier.

Matthias Ecke zu Besuch beim Vorgänger
Markiert in: