Was würde Wehner dazu sagen?

Nachgedanken zum 30. Todestag

von Christoph Meyer (geschrieben für Sachsen-Ausgabe des „Vorwärts“ am 6.2.2020)

Vorbemerkung

An dieser Stelle sollte zum 30. Todestag Herbert Wehners am 19.1.2020 eigentlich eine gekürzte Fassung des Textes stehen, den ich für den „Vorwärts“ geschrieben habe (www.vorwaerts.de/wehner). Im Angesicht der Wahl eines Politikers der sogenannten Mitte zum Ministerpräsidenten Thüringens mit Hilfe der rechten AfD erlaube ich mir allerdings die Frage zu stellen: Was würde Herbert Wehner davon halten?

Zur Frage der Linkspartei

Peter Adler, Gründungsvorsitzender des Bildungswerks und lange SPD-Landtagsabgeordneter in Sachsen, pflegte immer zu sagen, dass gerade die Tatsache, dass Wehners Biographie gebrochen verlief, ein wichtiger Ansporn sei: Ein ehemaliger Kommunist half als Sozialdemokrat unermüdlich das Land aufzubauen. „Diesen Namen Herbert Wehner haben wir uns sehr bewusst für das Bildungswerk ausgesucht.“ Menschen können lernen – das gilt auch für Parteien und deren Mitglieder. Nach 30 Jahren ist doch die „Linke“, zumal die in Thüringen, in der Demokratie angekommen. Was hilft da noch die Ausgrenzung?

Für demokratische Gemeinsamkeit

2020 ist das Jahr des 60. Jubiläums der Rede Wehners im Bundestag vom 30. Juni 1960. Sie endet mit einem staatspolitischen Satz: „Innenpolitische Gegnerschaft belebt die Demokratie. Aber ein Feindverhältnis, wie es von manchen ge­sucht und angestrebt wird, tötet schließlich die Demokratie, so harmlos das auch anfan­gen mag.“ Nun war es gewiss nicht harmlos, was FDP und CDU in Thüringen angefangen haben. Folge ihrer kurzsichtigen Strategie, immer wieder das Feindverhältnis zur „Linken“ zu beschwören: Sie haben sich im Schlepptau der AfD verheddert.

Das Liebäugeln mit Rechts

In seiner langen parlamentarischen Laufbahn von 1949 bis 1983 musste Herbert Wehner das immer wieder erleben. Ob es um Neonazi-Kreise in der FDP in den 1950er Jahren ging – oder den Versuch des CDU-Kandidaten von 1969, sich mit Stimmen der NPD zum Bundespräsidenten wählen zu lassen. Oder auch die Strategie des CSU-Chefs Strauß, die sozialliberale Koalition zum vaterlandsverräterischen Feindbild zu machen: Herbert Wehner hat stets Klartext gesprochen zu allen Versuchen, die Demokratie durch Paktieren mit ihren Feinden zu zersetzen.

Wo die Grenze liegt

Zusammenarbeit bedarf einer gemeinsamen Grundlage. Herbert Wehner machte am 24. März 1960 klar: „Für die SPD bestand und besteht zu keiner Zeit die Versuchung, mit einer totalitären Partei zu kooperieren.“ Das ist ein gültiger Satz. Es gibt klare Maßstäbe: Bekennen sich die Beteiligten – in Worten und tatsächlich – zur parlamentarischen Demokratie und zum Grundgesetz? Gehen die Beteiligten von den Menschenrechten und der fundamentalen Gleichheit aller Menschen aus? Oder leisten sie antidemokratischen Kräften Vorschub? FDP und CDU in Thüringen haben diese Grenze überschritten.

Und jetzt?

Worum geht es jetzt, in Berlin wie in Thüringen? In Abhängigkeit von der rechtsnationalistischen AfD Thüringen zu regieren – das ist das Schaffen einer Bruchstelle. Herbert Wehner sagte im Herbst 1960: „Entweder bringen die Sozialdemokraten die Kraft auf, die CDU zu zwingen, im Rahmen des Grundgesetzes zu bleiben, oder die CDU wird über die Sozialdemokraten hinweggehen, weil sie sich nicht im Rahmen des Grundgesetzes halten lässt.“

Grundsatz

Herbert Wehner wollte die SPD als Volkspartei für alle Schichten der Gesellschaft. Für Wehner sollte die Sozialdemokratie sich an einer Idee orientieren, und das war für ihn „die Idee von einem Gemeinwesen, in dem das Menschenmögliche an sozialer Gerechtigkeit verwirklicht wird.“

Zum Weiterlesen

Auf der Internetseite www.hgwst.de. finden sich zahlreiche weitere Informationen und Richtigstellungen, so zum Beispiel Korrekturen des fehlerhaften Wikipedia-Eintrags zu Herbert Wehner sowie Informationen zur Herbert-Wehner-Biographie von Christoph Meyer.

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